ÜBER LEISTUNGSZWANG: Yoga ist kein Wettbewerb.

Es wird mehr. Gefühlt in meinem Umfeld wird es immer mehr. Die Sorge, mit mir könne was nicht stimmen, wenn es nicht jeden Tag Glitzer regnet. Wenn ich nicht immer Leichtigkeit und Gelassenheit spüre. Was habe ich falsch gemacht? Nicht genügend meditieret? Doch den falschen Kurs besucht? 

 

Du gibst schon dein Bestes. Mehr Anstrengung führt nicht zu mehr. 

Es ist ein kollektives Phänomen einer leistungsorientierten Gesellschaft. Wenn es nicht klappt, habe ich mich nicht genügend angestrengt. Bei XY klappt es doch auch. Es muss also an mir liegen. 

So sind wir sozialisiert. Auf eine Bemühung folgt eine Belohnung. Bleibt diese aus, ist das schon Sanktion genug. Wenn die Ursache an mir liegen muss, sinkt der Selbstwert, steigen die Selbstzweifel. Die Strafe haben wir uns selbst gemacht.

In der Regel führt das zu mehr Anstrengung: Noch einen Kurs buchen, noch 10 Bücher kaufen, zwanghafte Verabredungen mit der Yoga Matte, der Druck wächst. Schnell und häufig unbemerkt. Das Heilsame verwandelt sich in Stress.

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Schaffe Zeit für Integration

Mehrere Schülerinnen erzählten mir kürzlich, dass sie sich auf nichts mehr richtig einlassen können - weil sie sich für zu viel gleichzeitig angemeldet haben. Sie sehen ein Instagram Posting eines Coaches und denken, oh toll, das ist die Lösung. Will ich auch so fühlen. Ein Webinar hier, ein Circle dort. Doch wir vergessen, dass all der wundervolle Input Zeit braucht, um durchzusickern, verarbeitet zu werden. Das nennt man Integration.

Wenn du merkst, du lädst dir zu viel auf, halte inne. Das merkst du daran, dass die Freude verschwindet. Oder du spürst körperliche Druckgefühle.

Ich habe diesen Fehler auch gemacht und mehrere Jahre in 100 Themen gleichzeitig investierst. Es ist tröstend, dass wir damit nicht alleine sind. Und dass es in unserer Leistungsgesellschaft “normal” ist.

Mutig ist, wer sich für weniger Input entscheidet. Vor allem ab einer gewissen Lernkurve halte ich es für unverzichtbar sich für Weniger zu entscheiden.

Mir hilft es übrigens sehr, mir ganz bewusst ein Comittment zu geben. Dieses Jahr beschäftige ich mich mit dem Atem. Diesen Monat widme ich mich meiner Morgenroutine. Wenn ich andere spannende Aspekte sehe, sage ich mir: Wow, so spannend wie viele Ansätze es gibt. Mal sehen, wo mich mein Weg noch so hinführt …

Inspiration ist toll - Vergleiche sind sinnlos

Heilung ist etwas sehr individuelles, sie kann spontan geschehen, sie kann Jahre dauern. Wenn es nicht deine ganz eigene Erfahrung ist, ist sie kaum was wert. 

Wir brauchen Trainings und Kurse, in denen keine falschen Versprechungen gemacht werden. In denen die authentische, zauberhaften und echten Erfolge Einzelner eingeordnet werden und nicht als Vergleichsbasis genommen werden, was in skurriler Erwartung endet, und schließlich in einer Enttäuschung. Das Ende einer Täuschung. Es ist nämlich der Weg eines anderen. Nicht deiner. Und dein Weg ist genau richtig, so wir er ist. Natürlich darf der Weg leicht sein. Und er wird auch immer leichter. Wenn du ernsthaft dran bleibst.


Ein Beispiel aus meiner eigenen Erfahrung

Es gab eine Zeit (sie ist noch nicht so lange her), da hatte ich den Druck aufgebaut, dass ich in Thai Yoga Sessions sämtliche Blockaden meiner Klienten fühlen muss. Ich hatte den Anspruch, meine Intuition und die Magie, die in einer Thai Yoga Session von ganz alleine geschieht, in Konzepte für meine Klienten zu verpacken, die sie sich zuhause nur nochmal schnell aufwärmen müssen. Um die Erfahrung noch nachhaltiger zu machen (das was ich mache, reicht nicht). Um mit richtigen tollen Ansatzpunkten für den eigenen Alltag zu punkten (ich muss noch mehr leisten, um gemocht zu werden).

Die Folge? Ich habe mich total verbissen. Die Freude war weg. Der Druck war da.

Ich konnte zum Glück selbst merken, dass das ein Irrweg ist. Ich konnte mich erinnern, dass die Präsenz reicht, die Absicht reicht. Jede Erwartung engt ein.

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Hinterfrage deine Motivation

Kennst du deine Absicht? Dein Warum? Deine Motive? Praktizierst du Yoga, weil es gerade angesagt ist? Meditierst du, weil deine Freundin es auch macht? Was steckt hinter deinem Tun?

Nichts ist so sinnstiftend wie der Hauch einer Antwort auf diese Art von Fragen. Wenn du merkst, dass deine Antwort in Richtung Selbstoptimierung und Leistungssteigerung gehen, darfst du wieder innehalten und dich inneren: Du gibst schon dein Bestes. Yoga ist kein Wettbewerb.

Mach die Praxis zu deiner eigenen. Mach die Erfahrung zu deiner eigenen. Mach deinen Weg zu deinem eigenen Heiligtum.


Sinah Müller